Rechenzentren schiessen wie Pilze aus dem Boden. Denn: Wirtschaft und Gesellschaft können ohne Daten nicht mehr sein. Das Bundesamt für Energie rechnet mit einer Verdoppelung des Strombedarfs der Rechenzentren in der Schweiz in den nächsten fünf Jahren. Entsprechend wichtig ist eine effiziente und umweltschonende Kältetechnik.
Christoph Brechbühler kennt die Kälte von der Pike auf. Als gelernter Kältemonteur, Techniker HF Kälte und Wirtschaftsingenieur FH ist er heute als Verkaufsleiter Klima/Kälte bei CTA AG verantwortlich für den Verkauf und das Produktmanagement von Kaltwassermaschinen, Klimageräten und Grosswärmepumpen in der Schweiz.
Christoph Brechbühler: Die professionellen Betreiber von Rechenzentren, sogenannte Colocators, kennen den Wert respektive die Kosten des Stroms sehr genau. Und dies nicht erst seit gestern. Sie achten penibel darauf, dass der Anteil der Infrastruktur – besonders Kälteerzeugung und Kälteverteilung – am gesamten Stromverbrauch so gering wie möglich ist. Mit höheren Zulufttemperaturen für die Kühlung der Serverracks und besonders auch mit Free Cooling versuchen sie, den Strombedarf zu mindern.
Vielleicht auf den ersten Blick. Doch Free Cooling hat einige Pferdefüsse, wenn man genau hinschaut.
Rechenzentren und Serverräume in Unternehmen brauchen keine sehr «starke» Kühlung. Um beim Server eine Ansaugtemperatur von 27 °C sicherzustellen, reicht eine Kaltwassertemperatur von 24 °C. Das bedeutet, dass schon bei Aussentemperaturen unter 20 °C ein indirektes Free Cooling möglich wird. Das ist tatsächlich verlockend, aber nur wenn Sie ausblenden, was beim Serverrack «hinten» rauskommt. Die rund 35 °C warme Luft ist pure Energie. Wenn diese Wärme nun mit Free Cooling ohne Nutzen an die Umgebung abgegeben wird, dann ist das eine reine Energievernichtung. Gerade mit Blick auf die Energiewende und das Netto-Null-Ziel bis zum Jahr 2050 können wir uns einen solchen verschwenderischen Umgang mit Wärme schlicht nicht erlauben. Diese Wärme muss, wenn immer möglich, genutzt werden.
Energie nutzen statt vernichten
«Wenn die Abwärme von Rechenzentren mit Free Cooling ohne Nutzen an die Umgebung abgegeben wird, ist das eine reine Energievernichtung.»
Die Wahl des Kältemittels beeinflusst die Investitionskosten wie auch die künftigen Betriebskosten. Doch abgesehen von der Kostenfrage gibt es zusätzlich eine ökologische Dimension. Die erste Generation synthetischer Kältemittel schädigte die Ozonschicht. Dann realisierte man, dass Kältemittel einen starken Treibhauseffekt haben. Aus diesem Grund kommen heute für die Kühlung von Rechenzentren fast nur noch das synthetische Kältemitte HFO sowie die natürlichen Kältemittel Ammoniak oder Propan zum Einsatz, für Wärmepumpen in diesem Umfeld noch Isobutan. Sie alle haben einen sehr geringen oder gar keinen Treibhauseffekt.
Das synthetische Kältemittel HFO hat viele Vorteile: Kaum einen Treibhauseffekt, tiefe Investitionskosten und – für die Kaltwassertemperatur von Serverräumen – eine überzeugende Energieeffizienz. Und HFO hat gegenüber den «natürlichen» Konkurrenten im Serverumfeld – Propan, Isobutan und Ammoniak – den Vorteil, dass es weder giftig noch explosiv ist.
Ganz so einfach ist es leider nicht. Zwar hat sich HFO für die internationalen Betreiber von Rechenzentren quasi als Standard etabliert. Doch gerade das macht mir auch Sorgen. Denn HFO bleibt trotz allem ein synthetisches Kältemittel. Wenn es in die Umwelt gelangt, entsteht als Abbauprodukt Trifluoressigsäure. Diese ist in der Umwelt nicht abbaubar und sammelt sich im Wasser. Auch wenn das Kältemittel HFO nur einen geringen Teil zur gesamten Trifluoressigsäure-Konzentration beiträgt, völlig unbedenklich ist es nicht. Wir brauchen daher auch bei den Rechenzentren langfristig ein Umdenken in Richtung der natürlichen Kältemittel Propan und Ammoniak.
Die Abwärme von Rechenzentren ist wertvoll. Mit der richtigen Planung kommt sie Industriebetrieben und Wärmeverbünden zugute.
Wir machen die Erfahrung, dass innerhalb von Gebäuden oder Unternehmensgrenzen die Wärme von Rechenzentren oft gut genutzt wird. Anders sieht die Vernetzung über diese Grenzen hinweg aus. Ich kenne Beispiele, da wird auf der einen Strassenseite die Wärme aus dem Rechenzentrum über das Dach vernichtet. Und auf der anderen Strassenseite wird der Aussenluft mit einer Wärmepumpe Wärme entzogen und so das Gebäude beheizt.
Da haben Sie recht. Es braucht daher bei der Planung von neuen Rechenzentren eine Gesamtsicht. Das beginnt damit, dass man überlegt, wo aus energetischer Sicht der optimale Standort liegt. In der Stadt Basel zum Beispiel gibt es so viele (Ab-)Wärmequellen, da wartet meistens niemand auf die Abwärme eines neuen Rechenzentrums. In der Agglomeration oder in einem Aussenquartier von Bern hingegen kann ein Rechenzentrum eine gesuchte, wertvolle Wärmequelle sein, um ganze Quartiere zu heizen. Was es braucht, ist jemand, der die Wärme abnimmt und diese in sein Wärmenetz einspeist.
Als Hersteller im Bereich Kälteerzeugung und -verteilung sowie von Wärmepumpen ist es unsere Aufgabe, Fachplaner und Energie-Contractor bei der Entwicklung von sinnvollen und nachhaltigen Lösungen zu unterstützen. Diese Zusammenarbeit ist sehr fruchtbar und bietet nicht zuletzt den Endkunden sehr gute Handlungsoptionen. Trotzdem gibt es Grenzen. So werden derzeit kaum Warmwasservorlauftemperaturen über 80 °C nachgefragt, obwohl für uns 100 °C problemlos möglich wären (vgl. Tabelle). Solche hohen Temperaturen eignen sich für Fernwärmenetze bis hin zu industriellen Prozessen.
Allerdings hat der Krieg in der Ukraine zu einem Umdenken geführt – weg von fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren Energien und hin zu einem sorgfältigen Umgang mit elektrischer Energie. Doch im Unternehmensumfeld dauert es vom Entscheid über die Planung bis zur Inbetriebnahme einer solchen Lösung drei bis sechs Jahre. Ich bin sicher, dass die Nachfrage nach Wärmepumpen mit hohen Temperaturen in den kommenden Jahren massiv steigen wird.
COP-Werte RZ-Wärmepumpen bei unterschiedlichen Warmwassertemperaturen
Im Prinzip ist die Maschinenraumausstattung von Kältemaschinen mit HFO, Ammoniak oder Propan gar nicht so unterschiedlich. Es braucht bei allen drei Kältemitteln eine Sturmlüftung, eine Kältemitteldetektion und ein sauberes Sicherheitskonzept. Natürlich gibt eine Kälteerzeugung mit Ammoniak ein wenig mehr Aufwand bei der Planung. So braucht es aufgrund der Giftigkeit des Kältemittels eine Ausbreitungsberechnung und eine Risikobeurteilung für den Havariefall. Immer wieder geht jedoch vergessen, dass Ammoniak ein altbewährtes, zuverlässiges und sicheres Kältemittel ist, das in Industriekälteanlagen seit mehr als 100 Jahren eingesetzt wird.
Bei einer Kältemaschine mit dem explosiven Kältemittel Propan empfehlen wir sicherlich eine Aussenaufstellung. Doch die Technik hat rasante Fortschritte gemacht, und auch eine Innenaufstellung ist heute gut machbar. Dabei gibt es keine Kompromisse bei der Sicherheit. Ein sauberes Explosionsschutzdokument mit Risikobeurteilung ist ein Muss. Und die elektrischen Komponenten müssen konsequent vom Kältekreis getrennt werden – sei es räumlich oder durch eine hermetische Abdichtung des Kältekreises mit einem Gehäuse.
Natürlich bieten wir auch Kältemaschinen und Wärmepumpen mit dem synthetischen Kältemittel HFO an. Für die optimale Lösung müssen immer verschiedene Faktoren abgewogen werden. HFO ist für Anlagegrössen von 50 kW Kälteleistung bis ca. 1 MW eine energieeffiziente und betriebswirtschaftlich interessante Lösung, aber mit dem erwähnten Nachteil der ökologischen Belastung durch Abbauprodukte. Aus diesem Grund achten wir sehr genau darauf, dass möglichst kein Kältemittel in die Umwelt gelangt.
Ammoniakanlagen sind bei Kaltwasseranwendungen in Rechenzentren etwa gleich effizient wie HFO, können technisch aber meistens erst ab ca. 500 kW Kälteleistung wirtschaftlich realisiert werden. Bei grossen Anlagen ab 1 MW Leistung und in Kombination mit einer Abwärmenutzung mit hohen Temperaturen (70 °C Vorlauf und mehr) ist Ammoniak aus energetischer Sicht sehr interessant. Unter 500 kW Kälteleistung sehe ich eher Propan als Alternative zum HFO-Kältemittel. Der Haken dabei: Propan ist weniger energieeffizient und damit etwas teurer im Betrieb. Zudem sind die Investitionskosten bei Propan derzeit noch ein wenig höher als diejenigen von HFO-Anlagen, die von den Skaleneffekten grosser Stückzahlen profitieren.
Wenn man bei kleinen und mittleren Anlagen bis 500 kW die ökologischen Nebenwirkungen von HFO vermeiden will, führt nichts an Propan vorbei. Die gute Nachricht ist, dass bis in wenigen Jahren die Differenzen bei den Investitionen zwischen HFO und Propan verschwinden werden.
In Kombination mit einer Nutzung der anfallenden Wärme können Defizite bei der Energieeffizienz kompensiert werden. Am Ende des Tages müssen sich die Kunden aber fragen: Wie wichtig ist es ihnen, die Risiken für die Umwelt zu verringern? Sind sie bereit, dafür einen Mehrpreis in Kauf zu nehmen? Und was denken die Endkonsumentinnen und -konsumenten – wollen sie eine möglichst ökologische oder eine möglichst günstige IT?
Wofür der Strom im Rechenzentrum genutzt wird
50% für Server
13% für Beleuchtung und die USV-Anlage
37% für Kühlung und Lüftung
Dieses Interview erschien im November 2022 im Fachmagazin HK Gebäudetechnik. Das Interview führte Christian Werner. Bildmaterial: CTA AG und Mitsubishi Electric Hydronics & IT Cooling Systems.